Fünfundzwanzig Jahre davor, Anfang der neunziger Jahre
Tauchen. Ja, warum denn nicht, denke ich mir. Damals, als ich noch nicht mit meinem Mann verheiratet bin. Damals, als unsere Beziehung noch jung ist. Damals, als ich zwischen Österreich und Deutschland pendele. Er ist vom Tauchen begeistert. Er bezahle mir den Tauchkurs, sagt er, und ich nicke. Einige Wochen später ziehe ich zu ihm nach Deutschland. Um einen Arbeitsplatz brauche ich mich nicht zu bemühen. In seiner kleinen Firma ist Platz für mich. Eine Stelle, wie für mich geschaffen. Ich habe in Österreich seine Softwareentwicklung betreut. Angebote geschrieben, Computer eingerichtet, Menschen geschult und meine Nase in die Programmierung gesteckt. Ich bin ein Glücksgriff. Ja, der bin ich. Ich bin eine Frau, die lernfähig und neugierig ist. Die sich Wissen aneignet und es umsetzt. Und der nichts zu blöd ist. Der Tauchkurs findet in Deutschland statt. Ich lerne Handzeichen, mit Tauchtabellen umzugehen und übe mich in der Handhabung des Equipments. Flossenschläge, Tauchcomputer, Maske ausblasen, Auf- und Abtauchen, Dekompressionstopps, Pressluft, Nitrox, Trimix, Verhaltensregeln beim Wracktauchen. All das ist mir bald geläufig. Schließlich lege ich die Tauchprüfung ab und darf mich mit einem Zertifikat schmücken. Mein heutiger Mann ist stolz auf mich und endlich können wir gemeinsam losziehen. Es folgen Monate, in denen wir in unserer Freizeit das Tauchequipment durch die Gegend schleppen. Zu abgelegenen Waldseen, zu Flusstälern, an die Ostseeküste und zu Schotterteichen. Es folgen Urlaube an der Mittelmeerküste und in Ägypten. Schließlich zieht es uns nach Asien und diese Reisen werden zu besonderen Urlaubserlebnissen. Wir sind ein prima Team: mein Mann und ich. Nicht nur privat, sondern auch beruflich. Wir arbeiten zusammen und vertreiben die selbst entwickelte Software. Ich frische meine Buchhaltungskenntnisse auf und kümmere mich um das Kaufmännische. Rechnungen schreiben und bezahlen, Ware einkaufen, Gehaltsabrechnungen. Eben die ganze Bandbreite der Büroorganisation. Aber nicht nur das, ich besuche auch unsere Kunden vor Ort, denn unsere Softwareentwicklung wird erfolgreich in Firmen eingesetzt. Wir reisen quer durch Deutschland und seine Nachbarländer. Von der Ostsee bis zum Wörthersee. Von Luxemburg bis nach Prag. Ich stehe meinen Mann. Ich kenne mich mit Computern aus, tausche Ersatzteile und schule unsere Kunden. Zudem programmiere ich und analysiere Sachverhalte, entwickle Konzepte und setze sie um. Nur verkaufen mag ich nicht. Es liegt mir nicht. Es ist nicht leicht. Wir müssen Gewehr bei Fuß stehen, wenn Not am Mann ist. Schritt halten mit der immer rasanteren Weiterentwicklung am IT-Markt. Schließlich sind da noch die Kunden, die mit Herausforderungen und mit ihrer Persönlichkeitsstruktur das eine und das andere von uns abverlangen. Wir laufen nicht auf hundert, sondern auf hundertfünfzig oder mehr Prozent. Ich zähle nicht die Stunden. Nicht selten sitze ich abends um acht Uhr noch im Büro. Auch Samstage, Sonntage und Feiertage werden nicht verschont. Die Firma muss laufen, die Kunden warten, Verpflichtungen müssen eingehalten werden und der Rubel muss rollen. Nur rollt er nicht immer direkt in unser Portemonnaie. Doch ich klage nicht. Ich bin kinderlos und die Arbeit liegt mir. Außerdem, was sollte ich sonst machen?